#15 Exkurs: Erasmus von Rotterdam

Der Renaissance-Humanismus war eine breite Bildungsbewegung in ganz Europa. Erasmus gilt als „Fürst des Humanismus“. Seine Schriften legten die Grundlage für die weitere Reformation. In seiner Person ist Triumph und Tragik vereint. Auf der einen Seite korrespondierte er mit den höchsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Auf der anderen Seite wurde seine ausgleichende Art in den Wirren der Reformation als Lauheit und Unentschlossenheit gedeutet. In einem historischen Konflikt mit dem erstarkten Martin Luther wurde Erasmus schließlich theologisch beiseite gedrängt. Aber seine Idee von einer toleranten und friedfertigen Menschheit lebt weiter.

#14 Sebastian Franck

Für manche Forscher ist er der modernste Denker des 16. Jahrhunderts. Er war Einzelgänger und schloss sich keiner Kirche an. Sebastian Franck verfasste eine Reihe von Schriften, die weniger konfrontativ, sondern eher auf subversive Art die bestehenden Ordnungen in Frage stellten. Seiner Meinung nach hatte Wahrheit keine absolute, sondern eine geschichtliche Gestalt und musste immer neu in den aktuellen Kontext übersetzt werden. Das war einer der Gründe dafür, weshalb ihm theologische Rechthabereien zuwider waren und er sich gegen fromme Absolutheiten und die daraus folgenden – oftmals militanten – Auseinandersetzungen stellte.

#13 Kaspar Schwenckfeld

Obwohl er zur damaligen Zeit ähnlich bekannt war wie Thomas Müntzer, ist Schwenckfeld heutzutage fast vergessen. Sein „mittlerer Weg“ und sein Eintreten für Toleranz und Gewaltfreiheit haben zur Zeit der Reformation nur wenig Gehör gefunden. Er galt als „Spiritualist“, weil er das Innerliche des Glaubens und eine aus dem Herzen kommende Veränderung der Lebensführung stark gegenüber einem veräußerlichten Christentum betonte. Viele seiner Ansichten wurden im späteren Pietismus aufgegriffen.

#12 Reich Gottes in vier Mustern

Zwischenbilanz: Auffällig ist, dass alle beteiligten Religionsparteien ab einem gewissen Punkt gewalttätig wurden. Um solche verhängnisvollen Dynamiken besser zu verstehen, ist es nötig, auf das unterschiedliche Verständnis vom Reich Gottes zu sehen. Wir unterscheiden in der 1500 jährigen Kirchengeschichte bis hin zur Reformation vier Typen oder Muster: Eschatologisch, mystisch, politisch und kirchlich. Anhand dieser vier Modelle vom Reich Gottes lässt sich die teilweise völlige Gegenläufigkeit der unterschiedlichen Anliegen und Erwartungen der Reformatoren, Schwärmer, Spiritualisten, Antitrinitarier und Täufer besser nachvollziehen.

#11 Das Täuferreich von Münster

Die sich überschlagenden Entwicklungen in Münster in den Jahren 1534 – 1536 gelten als „Entgleisung der Reformation“. Um den einheimischen Prediger Bernhard Rothmann, den Propheten Jan Matthys und den Schneider Johann Bockelson aus den Niederlanden bildete sich eine apokalyptische Täufergemeinschaft, die die Wiederkunft Christi und das Gericht über die Gottlosen erwartete. Lange Jahre wurde mit „Münster“ und den „Umtrieben der Wiedertäufer“ die Ablehnung täuferischer Theologie begründet. Es ist an der Zeit, mit einem differenzierteren Blick auf die Ereignisse zu sehen.

#10 Melchior Hoffman

In Melchior Hoffman begegnet uns ein überaus wirkmächtiger Laienprediger der frühen Reformationszeit. In manchen Regionen entfachte er geradezu eine täuferische Massenbewegung – besonders in Ostfriesland und den Niederlanden. Anfänglich unterstützte er die lutherische Reformation. Von 1527 an wandte er sich immer mehr von Luthers Ansichten ab und predigte ein apokalyptisches Einbrechen des Gottesreiches. Auch wenn er selbst nicht zu militärischen Auseinandersetzungen anstiftete, wurden seine Ideen von den radikalisierten Täufern in Münster aufgenommen und führten zur Katastrophe. Hoffman starb 1543 desillusioniert in einem Straßburger Gefängnis.

#09 Exkurs ins 20. Jahrhundert

Die Diskussionen der Reformationszeit lassen sich bis in das 20. Jahrhundert verlängern. In aller Kürze sehen wir uns folgende Linien an: (1) Religiöse Sozialisten in der Schweiz, (2) Die Social Gospel-Bewegung in Nordamerika, (3) Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung, (4) Ernst Bloch und das Prinzip Hoffnung, (5) Leonardo Boff und die lateinamerikanische Befreiungstheologie und (6) Dorothee Sölle und ihre Anmerkungen zu Thomas Müntzer. An diesen Beispielen wird deutlich, wie sehr die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Botschaft mit der „sozialen Frage“ verbunden ist.